Abgabezeitpunkt eines Welpen
Eine Frage, die sich wohl Neuhundehalter und evtl. auch manche Züchter stellen ist, wann wohl der beste Zeitpunkt ist, einen Welpen in seine neue Familie zu geben?
In diesem Blogbeitrag möchten wir versuchen, diese Frage anhand von wissenschaftlichen Erkenntnissen etwas genauer zu beleuchten.
1968, Scott; Wissenschaftler
"Furcht und Fluchtverhalten wird bei Hunden ab einem Alter von 14 Wochen so stark, dass sich ein Welpe, der bis dahin unter Isolationbedingungen aufwuchs, wie ein wildes Tier verhält."
1971, Michael Fox, Verhaltensforscher
Er zog Chihuahuawelpen ab ihrer 4. Lebenswoche zusammen mit Katzenwelpen auf und fand heraus, dass diese Hund auch später weiterhin die Nähe der Katzen, gegenüber zur Nähe zu anderen Hunden, bevorzugten.
Die Katzen die so aufgezogen wurden, zeigten übrigens ein gutes Verhältnis zu allen Hunden, während andere Katzen Hunde mieden.
1971, Scott, Wissenschaftler
Er teilte drei Welpengruppen auf.
Hunde aus der ersten Gruppe wurde von Menschen per Hand aufgezogen und hatte keinen Kontakt zu anderen Hunden.
Hunde aus der zweiten Gruppe hatte gleichermaßen viel Kontakt zu Menschen und zu Hunden.
Hunde aus der dritten Gruppe hatte nur Konakt zu Hunden aber keinen zu Menschen.
Setzte man diese drei Gruppen später zusammen, bevorzugten sie jeweils die Gessellschaft der Welpen, die unter denselben Bedingungen aufgewachsen sind, wie sie selbst.
Michael Fox, Verhaltensforscher
Fox zog Welpen ohne äußere Stimulation auf (Umwelt, also unbelebte Reize).
Dann brachte er sich in einem Alter von fünf, acht, zwölf und sechzehn Wochen in einen Testraum mit unterschiedlichen Gegenständen.
Welpen bis zur 8. Woche erkundeten nach kurzer Zeit die Gegenstände neugierig und bevorzugten oft sogar die Gegenstände, die etwas komplexer waren.
Je älter die Welpen wurden umso mehr nahm das Neugierverhalten ab und die Fluchtreaktion zu. Sie wichen den Gegenständen aus und zeigten keinerlei Interesse sie zu erforschen.
Ich möchte klarstellen...
...dass es nicht DEN perfekten Zeitpunkt gibt.
Es geht mir in diesem Blogartikel darum zu erklären, wann Welpen sich besonders gut in eine neue Umgebung einfügen würden, weil sie dann besonders neugierig und aufnahmefähig und wenig ängstlich sind.
Natürlich kann sich auch noch ein älterer Hund an eine neue Umgebung gewöhnen.
Man sollte aber bedenken, dass es ihm schwerer fällt und er länger braucht und man evtl. mit ängstlicherem oder unsichererem Verhalten rechnen sollte, wenn man ihn später übernimmt oder sich das eigene zu Hause deutlich vom Herkunftsort des jungen Hundes unterscheidet (Stichwort: Hunde aus dem Ausland, aber durchaus auch ältere Hunde, die vom Züchter kommen).
Bei diesen Hunden ist es besonders wichtig, sie an neue Dinge, fremde Menschen, andere Hunde mit Bedacht zu gewöhnen und sie nicht zu überfordern und ihnen Zeit zu lassen.
Und bei diesem Hund ist es besonders wichtig, dass es für sie ein gut verständliches Regelwerk gibt, welches ihnen Sicherheit und einen festen Rahmen bietet, in dem sie sich sicher bewegen dürfen. Wenn ein solcher Hund, der ohnehin schneller besorgt sein könnte, niemanden hat, der ihn "durch Zeit und Raum" wohlwollend, helfend aber auch klar und verständlich lenkt, wird dieser Hund immer mehr Raum einnehmen.
Die Folgen könnten sein: aufgeregtes hektische Verhalten, unkooperatives Verhalten, übermäßige Ängstlichkeit, aggressives Verhalten, hyperaktives Verhalten, begrenzendes Verhalten, distanzloses Verhalten... Es muss nicht immer eine Aggression sein, die anzeigt, dass ein Hund massiv überfordert ist mit dem Raum, den er besetzen muss, weil es niemand anders tut.
Denn mehr Raum, bedeutet mehr Verantwortung; etwas dass jemand, der eh schon besorgt ist und Stress hat, sicherlich nicht auch noch haben möchte.
Wenn Ihr nicht sicher wisst, wie Ihr Räume für und mit Eurem Hund so gestaltet und verwaltet, dass er sich wohl und sicher fühlen und entspannen kann, dann sucht Euch bitte unbedingt eine/n gute/n Hundetrainer/in, der/die Euch zeigt, was das bedeutet und wie das geht!
Wie ist denn das jetzt aber mit einem guten Abgabezeitpunkt?
Wer oben aufmerksam gelesen hat, kann es sich bestimmt schon denken!
Der beste Abgabezeitpunkt ist die 7. oder 8. Lebenswoche.
In dieser Zeit verkraften die Welpen einen Umgebungswechsel relativ gut, da sie noch ziemlich neugierig und unbedarft in neue Situationen gehen.
Perfekt ist es, wenn im neuen Haushalt schon einige Dinge zu finden sind, die ihm vertraut sind und Reize der Geborgenheit bieten, damit er sich schnell anpassen kann. Deshalb sollte ein Hund auch erstmal ca. 3 Tage bei seinem neuen Besitzer ankommen dürfen, bevor was Neues gestartet wird.
Wichtig ist jetzt eine gute aber auch maßvolle Förderung. Der Welpe sollte seine neue Umgebung in Ruhe kennenlernen dürfen, er muss Sozialkontakte zu anderen Artgenossen haben dürfen (und hier ist nicht ständiges wildes Spiel gemeint - zumindest nicht, wenn ich später einen Hund haben möchte, der in Ruhe an anderen Hunden vorbei gehen kann und nicht total aufgepusht ist), aber auch fremde Menschen und Umweltreize müssen jetzt dargeboten werden.
Ich weiß, ein Aufschrei geht durch Deutschland bei Züchtern & Co.
Aber seien wir mal ehrlich, früher wurden Hunde sogar schon mit 6 Wochen abgegeben und wir hatten deutlich weniger Probleme, als heute. Und nein, das ist kein Plädoyer für Abgabe mit 6 Wochen, denn diese brächte keine deutlichen Vorteile.
Aber es ist ein Plädoyer für: "Gebt Eure Hunde nicht erst so spät ab, wenn Ihr wollt, dass sie sich gut bei ihren neuen Besitzern einleben können."
Denn die Studienlage zeigt sehr deutlich, dass eine Abgabe ab der 9. bis zur 11. Woche keine Vorteile, gegenüber eine Abgabe mit 8 Wochen hat und erst Recht nicht, bei noch späteren Abgaben.
Das trifft ganz besonders dann zu, wenn das Züchterzuhause so ganz anders ist, als das der neuen Besitzer.
Beispiele
Kundin übernimmt eine 5 Monate alte Magyar Viszla-Hündin, die beim Züchter "hängen geblieben ist".
Der Züchter lebte am Waldrand und war Jäger, die neue Halterin lebte am Stadtrand von Hildesheim. Auch dort war nicht viel los, aber deutlich mehr, als beim Züchter.
Die Hündin ging 7 Tage lange die Wände hoch, im wahrsten Sinne des Wortes. War panisch beim Gassi gehen. Biss um sich, wenn man sie anfassen wollte, fraß nicht, trank nicht!
Das einzig Gute war, dass die neuen Halter a. sehr ruhig blieben und b. einen 2. Hund hatten, an den sich die Hündin sehr schnell anschloss.
Über den 2. Hund gelang es uns im Training, nach und nach die Hündin handzahm zu bekommen, so dass sie sich anleinen und von den Haltern auch anfassen ließ. Wir brachten sie mit viel Geduld dazu, mit den Haltern Gassi zu gehen.
Noch heute kann die Hündin nicht ohne Leine laufen, weil sie panisch bei Kontakt mit fremden Menschen reagiert und dann einfach durchstartet.
Nichts davon, war beim Züchter zu sehen. Dort ließ sich die Hündin anfassen, war ruhig und zutraulich, hörte gut auf den Züchter und zeigte keinerlei Auffälligkeiten.
Kunden übernehmen eine 14. Wochen alte, weibliche, französische Bulldogge und kommen mit ihr in unseren Welpenkurs.
Schon bei Ankunft bellte die Bulldogge alles, was sich bewegte massiv an und ging dabei nach vorne. Wir erfuhren, dass sie seit 4 Tagen bei den neuen Haltern ist und sich schon mit dem 5 Jahre alten Dackelmix der Nachbarn so richtig gekloppt hätte.
Wir behielten sie im Auge, als es ins den unangeleinten Kontakt ging. Ohne Punkt und Komma attackierte sie den erstbesten Hund, der sich ihr näherte, sehr massiv!
Glücklicherweise waren die Halter sehr schnell damit einverstanden, dass wir das Thema im Einzeltraining angehen.
Wir stellten mit dem Hund erstmal ein klares Regelwerk auf, erklärten den Halter, wie sie ihn ruhig und verständig in Zeit und Raum begrenzen und brachten ihn dann mit souveränen und eher ignoranten Althunden in Kontakt. Nachdem das gut lief, konnten wir ihn nach und nach mit Hunden vergesellschaften, die schon auch Interesse an anderen Hunden zeigten.
Heute hat die kleine Bulldogge Freunde, mit denen sie meistens gut auskommt. Meistens bedeutet, dass sie eine Impulskontrollstörung hat und ab und zu aus einer Nichtigkeit heraus ausrastet. Die Halter sehen aber gut, wann ein guter und wann ein schlechter Tag ist und ggf. brechen sie dann freie Kontakte ab bzw. sichern den Hund.
Mit fremden Hunden, egal welchen Geschlechts, kann die Bulldogge bis heute nicht einfach so normal kommunizieren und wird das auch nie können.
Hier sollte man erwähnen, dass das starke nach vorne gehen aus einer starken Unsicherheit heraus entsteht, da die Bulldogge bis zu ihrer 14. Lebenswoche nur andere Bulldoggen vom Züchter kennengelernt hat und keine anderen Hunden kennengelernt hat und diese nicht problemlos bis gar nicht lesen kann. Es für Bulldoggen nicht untypisch ist, dass sie in solchen Situationen eher nach vorne gehen, als wegzugehen.
Halterin kommt mit ihrem 12 Wochen alten Schäferhundmix in die Welpenschule.
Den Hund hörte man schon, als die Halterin auf dem Parkplatz ankam, er bellte massiv, preschte immer wieder in die Leine und wirkte sehr ambivalent, hing zwischen Wut und Verunsicherung.
Der Hund war vom ersten bis zum letzten Moment auf unserem Gelände massiv überdreht. Bellte, biss in die Leine, biss in die Hände seiner Besitzerin, wollte man ihn mit anderen Hunden zusammen bringen, rannte er die über und schaute gar nicht drauf, was passierte. Er biss die anderen Hunden nicht, wurde aber einmal, als er in eine Althündin reinschepperte von dieser angemessen diszipliniert und wurde komplett hysterisch und da biss er um sich.
Die Halterin bracht mehrfach auf dem Platz in Tränen aus, weil klar wurde, dass das nicht so ganz der Normalität entsprach.
Nach der Stunde nahmen wir uns Zeit. Der Hund war bei einem Züchter aufgewachsen, der in einem winzigen Dorf im Osten Deutschlands wohnte. Die Hunde des Züchters waren selbst oft draußen, bellten dort jeden Trecker an und die Stimmung insgesamt beim Züchter war sehr aufgeregt und laut, andere Reize fehlten aber.
Der Hund kannte bei Abholung mit 11 Wochen nichts. Kein Auto, kein Halsband, nicht, dass mehrere Autos auaf einer Straße sein können, kein Spazieren gehen.
Die junge Familie der Halterin wohnt recht zentral in Hildesheim.
Es war schnell klar, dass der Hund total überfordert war mit der neuen Umgebung, die sich so stark von der des Züchters unterschied. Zudem war der Hund vom Typ her eh einer, der sehr reaktiv veranlagt war (als Hütehund) und zu einem Hütehundtyp gehört, der grundsätzlich auch weiß, dass seine Zähne noch für andere Dinge da sind, als zum Zerkauen von Futter.
Wir besprachen mit der Halterin, dass der Welpenkurs keine gute Idee für den Hund sei, was sie einsah. Von da an, wurde der Hund sehr kontrolliert mit unterschiedlichen Dingen, in Ruhe in Kontakt gebracht, auch hier wurde das Regelwerk, das ihn umgab ruhig und konsequent durchgesetzt. Kontakt zu anderen Hunden bauten wir mit Bedacht auf und die Halterin selbst setzte alles sehr engagiert um.
Heute, zwei Jahre später sieht die Situation so aus:
Der Hund ist mit neuen Situationen, Orten und besonders wenn dort noch Bewegungsreize z.B. durch andere Hunde zu finden sind, nach wie vor schnell überfordert. Hat aber in der Halterin einen sicheren Hafen gefunden. Er zieht sich oft zu ihr hin, wenn er merkt, dass es für ihn schwer wird und "buckt" sich an, was ihm auch immer gewährt wird.
Die Halterin muss extrem konsequent mit diesem Hund sein. Läßt sie Regeln unklar stehen, wächst der Hund in diesem Raum und kann sich dann ihr gegenüber auch nicht immer beherrschen. Dann benutzt er schon auch seine Zähne, aber er verletzt niemanden und hat gelernt, dass er das nur bei ihr mit großer Hemmung darf.
Die Kinder der Familie kann der Hund gut ertragen. Es darf aber nicht zu wild werden, dann bellt und begrenzt er körperlich (ohne Zähne) sehr stark, was aber so gut wie nie vorkommt, da das Regelwerk hier greift.
Dem Hund fällt es schwer, sich dauerhaft an Regeln zu halten, die eigentlich klar sind und fragt diese immer wieder an.
Mit Hunden ist er schwer zu vergesellschaften. Unkastrierte Rüden gehen so gut wie gar nicht, was bedeutet, dass er dann zu 100% kontrolliert werden muss, damit er sich ihn deren Nähe aufhalten kann. Bei Hündinnen kommt es auf das Energieniveau der Hündin an. Allerdings ist er sehr sexuell in diesen Situationen und akzeptiert ein NEIN von Hündinnen nicht gerne. Auch dann kann er überbordent und aggressiv reagieren.
Und auch wenn sich das mit einem Schlucken ließt, ist das eine Verbesserung um 80%. Die Halterin bleibt weiterhin dran und wir hoffen, dass nach der Pubertät noch mehr möglich ist. Aber viele andere Halter hätten diesen Hund nicht behalten.
Zum Schluss...
...möchte ich uuuuunbedingt klar stellen, dass es natürlich nicht in einer Katastrophe enden muss. Das tut es sogar recht selten!
Auch wir haben Mojo mit 16 Wochen bekommen. Er lebte aber bei einer tollen Züchterin, die die Hunde komplett in den Alltag integrierte, mit ihnen Gassi ging, sie fuhren Auto, sie lernten anderen Orte und andere Hunde, andere Menschen kennen.
Für ihn war der Wechseln zu uns gut zu machen.
Trotzdem hat Mojo ein Problem mit fremden Menschen. Er sucht sich die aus, die er mag und kann auch pieselig werden, wenn er sie nicht mag. Das ist aber gut regelbar.
Wir haben viele ältere Welpen bei uns und in den allermeisten Fällen sind das tolle Hunde. Und ja, es könnte sein, dass die Themen die der ein oder andere von ihnen entwickelt mit diesem hier beschriebenen Thema zu tun hat. Muss aber nicht! Und selten ist es so massiv, wie in den drei beschriebenen Fällen.
Mein Anliegen ist es, die Augen von neuen Hundehaltern und das Verständnis von Züchtern für Verhaltenszusammenhänge zu schärfen. Denn die Züchter können schon viel tun, damit sich ihre Welpen bei den neuen Haltern gut einleben und möglichst wenig Probleme bekommen.
Falls Ihr einen Hund habt, den das doch betrifft. Meldet Euch gerne so früh wie möglich. In den allermeisten Fällen, können wir mit dem richtigen Input alles in gute Bahnen lenken.
Ich hoffe, der Text hat Euch gefallen und war gut verständlich.
Eure Jenni