Ich verstehe Dich, denn ich war vermutlich da, wo Du jetzt bist!
Ich bin in einem kleinen Dorf bei Nordstemmen aufgewachsen. Mein erster
Hund war ein Mischling, Jossi. Damals war ich noch ein Baby und teilt
mit Jossi alles, auch meine Schnuller. Leider hatte (habe) ich eine
Allergie gegen Hundespeichel und so bekam ich immer wieder Herpes. Da
das irgendwann gefährlich wurde, mussten meine Eltern Jossi an eine
befreundete Familie geben, wo er sehr alt wurde.
Mit 5 Jahren bekam
ich, von meinen Eltern einen Kurzhaardackel geschenkt, den wir ebenfalls
Jossi tauften. Jossi war mein bester Freund, allerdings war ich auch
die Einzige, die alles mit ihm machen konnte. Weder mein Vater griff in
seine Hütte, wenn er da drin war, noch sonst wer und als er meine kleine
Schwester mehrfach biss, musste er weg. Damals war ich 8 und ich
verstand nicht, warum man dem Hund nicht verständlich machen konnte,
dass er das nicht durfte!?
Ich ging viele Jahre mit den Hunden der
benachbarten Höfe spazieren. Vor allen Dingen mit einem Deutsch Kurzhaar
namens Harro und einem Kleinen Münsterländer namens Ilko. Ilko war eine
ganz schöne Knallerbse und zog an der Leine wie ein Ochse. Als Kind
wollte ich das einfach nicht und schaffte es irgendwie, ohne viel
nachzudenken und ohne irgendwelche komplizierten Techniken, dem Hund zu
erklären, dass er an lockerer Leine laufen soll. Keine Ahnung wie, aber
irgendwie hat das geklappt.
Als ich 14 war, mussten wir umziehen und
ich sagte, ich käme nur unter Protest mit, wenn ich einen Hund bekomme.
Und so zog Benji bei uns ein. Ein Deutsch Langhaar-Irish Settermix. Ein
derartig unkomplizierter, liebenswerter Hund... naja, nachdem er die
Pubertät überstanden hatte. Er konnte erst nicht alleine bleiben und
ribbelte während einer Alleinbleibenphase unseren gesamten Teppich im
oberen Flur auf, woraufhin mein Vater ihm draußen einen Zwinger baute.
Das juckte Benji aber nicht. Er kletterte auf seine Hundehütte und
schaffe die restlichen 1,5m irgendwo über den Zaun und lief dann frei im
Dorf rum. Wenn das nicht klappte, ließ ihn ein Nachbar raus, der
genervt war von seinem Geheule. Ich glaube, insgesamt war Benji zwei
Wochen in dem Zwinger, bevor er wieder ins Haus durfte und dort, wie
durch ein Wunder weder etwas anstellte, noch Theater machte. Auch
mussten wir Benji in seiner Pubertät mehrmals suchen, weil er auf
Freiersfüßen durchs Dorf stiften ging. Aber danach wußte Benji genau,
wann er sie wo, wie zu verhalten hatte. Allerdings konnte auch er wenig
Tricks/ Kommandos, es sei denn, wir Kinder brachten ihm die bei. Er war
aber dennoch gut erzogen ;-) Ein wichtiger Unterschied, den heute die
meisten nicht mehr kennen!
Und dann kam Josie!! Josie war eine
Mischlingshündin zwischen Kleinem Münsterländer und Bearded Collie. Sie
war bereits ein Jahr alt, als sie zu uns kam und ihre Familie wollte sie
nicht mehr, weil sie angeblich nur Mist baute. Durch Josie wurde mein
Wunsch, damals war ich Mitte 20, geweckt, Hunde besser zu verstehen und
so auch besser anleiten zu können. Im Jahr 2006 brachte Josie Welpen zur
Welt und ich behielt zwei davon. Naya und Cassidy. Der Vater der beiden
war ein Mischling zwischen Hovawart und Deutschem Schäferhund. Cassidy
hatte alle Ruhe und Souveränität mitbekommen, die möglich ist und Naya
das genaue Gegenteil.
Naya wollte einfach nicht lernen, an lockerer
Leine zu gehen. Wenn ich nur ihre Schwester trainierte oder sie
insgesamt warten musste, dann regte sie sich furchbar auf und machte
ihrem Frust lauthals Luft. Sie begann andere Hunde anzupöbeln (das
einzige Mal, dass sie ihre Schwester mit aktivierte), war dann nicht
abrufbar, sprang Besuch bis zum Hals an und konnte sich einfach auf
nichts lange konzentrieren.
Ich war frustriert!!! Sie war
frustriert! Aber, dieser Hund musste "funktionieren", waren sie und ihre
Schwester doch meine "Aushängeschilder" für die Hundeschule, die ich
gerade eröffnete.
Zwei Jahre lang, hat es gedauert, bis ich Naya
verstand. Ausschlag gab ein Kollege bei einem Seminar. Dem ich erzählte,
was Naya für ein Knallgestirn sei. Während ich das erzählte lagen Naya,
Cassidy, die Hündin einer Freundin, die ich im Urlaub in Pflege hatte
und ein weiterer Pflegehund, ein Langhaardackel, gemeinsam auf eine
großen Decke hinter mir, in einer riesigen Lagerhalle, mit 30 Personen
und 40 kläffenden Hunden, drum herum. Ich erklärte also, was Naya für
ein durchgeknallter Hund war. Der Kollege sah mich an, sah auf die
Decke, wo meine Hunde lagen und meinte: "Warum ist sie nicht dabei?" ich
erklärte: "Ist sie, es ist die Dunkelbraune." Er sah mich lange an und
meinte dann: "Die Hündin, die heute bereits den 2. Tag mit drei anderen
Hunden auf der Decke hinter dir liegt, ohne das auch nur einmal in Frage
zu stellen, ohne zu bellen, ohne Theater zu machen? Die Hündin, die mit
dir hier Dummy gespielt hat für zig andere tobende, verrückte Hunde?"
Ich bejahte das etwas irritiert. Und er meinte: "Wenn du wirklich von
dieser Hündin sprichst, die so durchgeknallt ist, dann solltest du dir
überlegen, was genau du sonst anders machst als jetzt. Dann hast du
deine Lösung."
Man war ich sauer! Wie sollte mir das denn helfen?
Das ist nun weit über 10 Jahre her und damals wurde ich das erste Mal
ganz bewußt mit Mindset, Ausstrahlung, Kopfkino, eigener Souveränität
und so vielen Dingen mehr konfrontiert... BEIM MENSCHEN!! So richtig
hatte ich mir darüber vorher nie Gedanken gemacht, das war einfach auch
noch nicht so richtig in der Hundetrainingswelt angekommen.
Aber dann!!!
Ich
begann mich mit der menschlichen Psyche noch intensiver zu
beschäftigen. Viele Bücher darüber fanden ihren Weg zu mir. Meine
eigenen Erfahrungen aus dem Kampfsport, meiner Zusatzausbildung als
Kommunikationspsychologin und so modernen Sachen wie "Mindset" (damals
war das noch mehr als modern und hatte noch nicht mal einen Namen),
gewannen Einzug in meine Trainings.
Naya habe ich es zu verdanken,
dass ich verstand, wie wichtig der Mensch zum Hund in vielen Bereichen
ist. Nicht, dass der Mensch an allem Schuld ist - überhaupt nicht! Aber
er ist Teil eines Systems in das man so leicht reinschliddert und wo man
nur so schwer wieder raus kommt.
Und dann lernte ich meine
Lebensgefährtin Nicole und ihre beiden Hunde Mona und Benny kennen. Und
Benny, ein Harzer Fuchs, war mein nächster bester Lehrer für alles, den
man sich so vorstellen konnte. Er zog an der Leine wie ein Berserker,
war überhaupt nicht orientiert an Menschen, er jagte Wild, Roller,
Jogger, Züge, Traktoren und alles, was nicht bei drei auf dem Baum war,
wollte man ihn bürsten, musste man ihn mit Maulkorb sichern, weil er
gerne mal seine Zähne in einem vergrub, wenn es ziepte; er klaute wie
ein Rabe, sogar mal einen heißen Braten aus der Pfanne, pöbelte alles
an, was uns so begegnete und wenn sich jemand nicht an SEINE Regeln
hielt, machte er auch da Löcher.
Innerhalb von 8 Wochen wurde aus
der taffen Hundetrainerin "Jenni" eine verunsicherte Hundehalterin, die
irgendwie versuchte, den Alltag mit diesem Hund zu überstehen. Ich
verlor mich selbst! Ich fühlte mich hilflos, ich hatte keine
Selbstwirksamkeit mehr.. keine normale Erziehungsmaßnahme, kein Training
wollte greifen. Benny verstand alles; allerdings verstand er sich auch
gut darauf, selbst zu entscheiden, ob er sich dran hält oder nicht.
Benny hat mich an meine Grenzen und weit darüber hinaus gebracht. Benny
und Naya waren die Hunde, die mich bis heute nicht vergessen lassen, wie
verzweifelt, frustriert, wütend, hilflos und selbstunwirksam man sich
fühlen kann, wenn man glaubt alles zu tun und dennoch nichts
funktioniert.
Wie ging die Geschichte mit Benny aus? Kein Hund
brauchte so sehr einen SOZIALEN PARTNER wie Benny. Benny wollte
Gespräche führen, ernsthafte, ruhige Gespräche. Benny wollte sehen, dass
da jemand ist, der auch im Konflikt ein Fels in der Brandung ist und
auf wichtige Punkte besteht, ohne dabei die Fassung zu verlieren. Benny
wollte jemanden, der für die Gruppe da ist und dem das Außen egal ist.
Je unwichtiger es wurde, was andere dachten, wenn ich mit dem tobenden
und geifernden Harzer Fuchs am Rand stand und ihm erklärte, dass man
sich so nicht verhält, umso schneller konnte Benny sich beruhigen. Durch
Benny lernte ich WIRKLICHE Ruhe und Souveränität im Konflikt
auszustrahlen und das fiel mit wirklich nicht leicht, war ich doch
jemand, der ebenso leicht aus der Hose hüpfen konnte.
Ja, ehrlicherweise lernte ich in keinem Seminar, in keiner Ausbildung, nirgends so viel über mich, wie durch meine Hunde.
Ich begriff aber auch, dass sowas nicht im Hau-Ruck-Verfahren geht.
Jenni