Persönlichkeitsentwicklung dank Hundetraining!
Puh!! Das ist ja mal eine Aussage.
Ich lese oder höre in
letzter Zeit immer häufiger, dass Hundetraining auch
Persönlichkeitsentwicklung bedeutet. Und natürlich ist das ein schönes
Schlagwort, mit dem man sicher den einen oder anderen Verkauf generieren
kann. Aber ist das wirklich so?
Vielleicht muss man dazu erstmal
verstehen, dass unsere Persönlichkeit von zwei Hauptkomponenten geformt
wird. Einmal unseren Charakter, den wir von Geburt an haben und dann
von den Erfahrungen, die den Charakter ja auch so ein Stück weit formen.
Also ist es erstmal egal, welche Erfahrungen wir machen, jede
Erfahrung formt ein Stück weit - die eine mehr, die andere weniger -
unseren Charakter und modifiziert somit auch unsere Persönlichkeit.
Da
es natürlich eine Erfahrung ist, einen Hund aufzunehmen, werden wir
auch unsere Persönlichkeit dadurch ein wenig oder - je nach Hund - auch
ein wenig mehr entwickeln.
Also ja, einen Hund zu sich zu nehmen, verändert die Persönlichkeit.
Schaut
man es sich aber so an, dann ist das nun eigentlich keine große
Errungenschaft, Neuerung oder ein echtes Highlight. Es passiert einfach,
es passiert immer!
Aber ich möchte mit Euch hier heute eher im Bereich des wirtschaftlichen Faktors bleiben.
Was meine ich damit?
Man
kann ziemlich viel Geld damit machen, wenn man sich als HundetrainerIN
so verkauft, als könnte man durch das Training mit dem Hund auch die
Persönlichkeit der Menschen positiv voran bringen.
Nun ließt sich das so, als wäre das in Wahrheit aber ein Ding der Unmöglichkeit.
Das
ist es nicht. Für eineN HundetrainerIN ist es wichtig zu wissen, was
für einen Typ Menschen habe ich da vor mir. Also z.B. ist das eher ein
Macher, der nicht viel Gedöns, nicht viel Gespräch drum herum braucht.
Also einer, der Zahlen, Daten, Fakten mag und dann auch ganz gut
selbständig loslegt und das in der Regel auch ganz gut strukturiert
abarbeitet, dafür aber wenig Zugang zu seinen eigenen Gefühlen oder den
Gefühlen seines Hundes hat. Oder ist das jemand, der zwar auch ein
Macher ist, aber deutlich unstrukturierter, der also einfach loszischt,
ohne genau zu wissen, was er da tut. Das ist dann eher einer, der zu
viele Gefühle hat und die auch von anderen stark wahrnimmt. So ein Kunde
braucht deutlich mehr Anleitung und immer wieder eine Hilfestellung.
Hier muss auch der Trainer aufpassen, dass er sich nicht vom Hüpfelchen
aufs Tüpfelchen verliert und anstecken läßt. Es gibt Kunden, die müssen
erst alles ganz genau wissen, die brauchen Pläne, die sie sich
durchlesen können, sie brauchen einen Trainer, der Dinge vormacht und
bei Nachfragen auch hilfreich zur Seite steht. Diese Kunden sind nicht
schnell aber gründlich. Sie bleiben dran, auch wenns mal schwierig wird,
weil sie verstanden haben, das Veränderungen ein Prozess sind. Und es
gibt die Kunden, die es allem und jedem Recht machen wollen. Dem Hund,
dem Nachbarn, dem Mann, der Zeitungsfrau, dem Tierarzt usw. usf. Dabei
verlieren sie oft aus den Augen, was sie selbst eigentlich wollen. Diese
People Pleaser kommen mit dem Hund selbst oft nur schlecht voran und
müssen immer wieder motiviert werden, weil es dadurch auch nicht schnell
vorwärts geht. Weil sie sich viel zu viele Gedanken machen, was andere
wohl erwarten und nicht gut bei sich und ihren Gefühlen bleiben können.
Also, man muss Kunden schon "erkennen". Und oft ist Hundetraining auch hilfreich.
Kunde eins kann über den Hund vielleicht besser Zugang zu seinen eigenen Gefühlen finden.
Kunde zwei kann lernen, sich zu fokussieren und den Hund als eine Art Anker benutzen.
Kunde drei kann lernen, vielleicht auch mal 5e Gerade sein zu lassen und Dinge als gegeben hinzunehmen.
Kunde vier kann lernen, sich und die eigenen Bedürfnisse ernster zu nehmen und nicht immer andere an erste Stelle zu setzen.
Das
geht schon und darin können wir solche Kunden unterstützen und das tut
ein guter Trainer auch, weil es wichtig für das Training ist.
Jetzt kommen die zwei großen ABER!!!
Wenn
das Ganze zu sehr auf dem Buckel des Hundes ausgetragen wird kann das
sogar irgendwann so viel Stress für den Hund bedeuten, dass er dadurch
krank und überfordert wird. Wir holen uns unsere Hunde alle, aus mehr
oder weniger egoistischen Gründen, weil wir einen Sozialpartner wollen,
weil wir Sport treiben wollen, weil wir ihn schön finden und wissen,
dass ihn auch andere schön finden usw. usf. Solange der Hund noch Hund
sein darf und seine eigenen Bedürfnisse wichtig sind, gesehen und in der
Regel auf angemessene Art und Weise erfüllt werden, ist das auch ok.
Aber
als TrainerIn erlebt man manchmal auch Dinge, die weit über das Normal
hinaus gehen. Und das ist dann schlicht und ergreifend
tierschutzrelevant, weil es einfach nichts mehr, mit der Natur des
Hundes zu tun hat. Hier mal zwei Beispiele, wie sie gar nicht so selten
sind.
Ich hatte letztes Jahr eine junge Kundin mit einem Schoß-
und Begleithund in einer Hundeführerscheinprüfung. Wir gingen vom Platz
und ab diesem Moment redete die Frau tatsächlich fast pausenlos mit dem
kleinen Hund und zwar auf diese Art und Weise: "Bello, da vorne müssen
wir nun links abbiegen, weil wir ja zur Ampel wollen. Ne Bello, wir
müssen jetzt wirklich mal hin lang, weil die Frau Gutmann das gesagt
hat. Bello wirklich, wir können später noch rechts gehen, aber jetzt
müssen wir wirklich links. Danke, das ist schön, dass du mitkommst. Da
ist eine Straße Bello, da müssen wir erst anhalten und gucken, ob da ein
Auto kommt. Genau. Erstmal anhalten. Das ist super. Es kommt kein Auto,
wir können rüber gehen. Schau mal, da vorne ist die Ampel, da müssen
wir hin. Aber du darfst nicht ziehen Bello, das ist doch eine Prüfung.
Das habe ich dir auch schon ein paar Mal erklärt, es ist für mich sehr
unangenehm, wenn du an der Leine ziehst...." Nach 20 Minuten hatte ich
das Gefühl einen Pelz am Ohr zu haben. Wie mag es dem armen Hund gehen?
Ich versuchte sie nach 20 Minuten in ein Gespräch zu verwickeln, was mir
nur teilweise gelang und wenn dann so, dass sie zwar mir antwortete,
aber Bello ansah. Irgendwann erklärte sie dann, dass Bello oft so gar
nicht auf sie hört und er deshalb auch nicht frei laufen darf und dass
er ab und zu auch andere Hunde anbelle und da wisse so gar nicht, wovor
er denn Angst hätte. Wir begegneten übrigens einem Hund und Angst hatte
Bello ganz sicher nicht. Ich versuchte der jungen Frau zu erklären, dass
sie ihren Hund nicht wie einen Hund behandelt, was für ihn großen
Stress bedeutet und eine Verantwortung die er nicht leisten können und
man das erstmal überdenken müsste, bevor man ans Training geht, weil das
Grundvoraussetzungen wären. Sie dachte wohl drüber nach, buchte ein
paar Tage später auch ein Training, sagte es aber wieder ab.
Vor
Jahren hatte ich eine Kundin im Training, die selbst eine emotionale
Atombombe sein konnte. Wenn sie sich aufregte dann richtig. Es war zwar
immer irgendwie lustig, weil sie auch über sich selbst lachen konnte,
aber die Folgen für den Hund waren - zu deutsch - krass! Sie hatte sich
einen sportlichen, quirligen Jagdhund geholt. Schon in der Welpengruppe
zeigte sich, dass alle Hunde nach der Gruppe pennten, nur der Jagdhund
nicht. Die Halterin regte sich furchtbar über den zappeligen Hund auf.
Ich fragte, ob ich den Hund kurz übernehmen soll, damit sie sich
akklimatisieren kann, was sie gut fand. Ich nahm den Hund auf den
Schoss, der dort innerhalb von einer Minute (kein Witz!!) einpennte und
tief und fest schlief.
Die Kundin erklärte immer wieder, dass sie
glaube, der Hund sei einfach irgendwie dumm, weil er nicht an Leine
gehen lernte, weil er, abgeleint außer Rand und Band wäre, weil er zu
Hause keine Minute Ruhe geben würde.
Wir waren sehr, sehr lange in
Einzeltrainings und ich kann Euch sagen, dass der Hund bei jedem, außer
ihr gut an der Leine gehen konnte und auch abrufbar war. Aber durch die
explosive Energie der Halterin wurde dieser Hund derartig angesteckt,
dass Konzentration nicht möglich war.
Zwar lernte die Halterin ein
wenig, sich zurück zu nehmen, aber die aufgestaute Energie trug auch
nicht zu einer wesentlichen Entspannung bei.
Und hier kommt das zweite wichtige ABER...
Es gibt für einen Trainer Grenzen!!!
Wir
sind keine Therapeuten, Psychologen oder sonstiges und manchmal ist es
wichtig, einem Kunden zu sagen, dass es sinnvoll sein könnte, sich
jemanden an die Hand zu holen, der das nochmal anderes abstützen kann.
Ggf. kann man dann sogar gemeinsam arbeiten.
Die
explosive Kundin z.B. begann dann damit, dass sie das Meditieren
lernte, woraufhin sich dann auch langsam Verbesserung im Training
zeigten.
Also, Persönlichkeitsentwicklung ist mit Hund die
Normalität. Zum Highlight wird sie, wenn man durch den Hund z.B. Dinge
überwinden lernt, die man überwinden muss, damit der Hund bestimmte
Verhaltensweisen läßt. Oder wenn man durch den Hund erkennt, dass man
eine persönliche Baustelle hat und sich dann professionelle Hilfe an die
Hand holt.
Wichtig finde ich nur, dass die eigene Persönlichkeitsentwicklung sich nicht zu Ungunsten des Hundes auswirkt.
Ich
habe oft Mütter im Training, die sagen, nachdem sie ein paar Dinge der
Hundeerziehung für ihre Kinder übernommen haben, haben sie da auch
weniger Probleme ;-D